Seit Jahren sammle ich Fotos zum Thema „Die Beziehung zwischen Menschen und Pflanzen – Pflanzen in urbaner Umgebung“. Die Initialzündung war die Beobachtung, wie in einer Stadt am Mittelmeer ein Rebstock bis zum dritten Stock hochgezogen wurde. Meine Erklärung dazu: Ein Mensch aus einem ländlichen Gebiet, der in diese Stadt gezogen war, brauchte nun die Nähe einer Weinrebe, um die Sehnsucht nach dem verlassenen Ort zu stillen.
Es war ein willkürlicher Gedanke, der aber eine hohe Wahrscheinlichkeit hatte, richtig zu sein: Seit 2008 lebt mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung in Städten und die meisten ihrer Bewohner und Bewohnerinnen kommen aus ländlichen Gebieten.
Diese Umsiedlungen haben ihre Ursachen im andauernden Wachstum der Bevölkerung oder in ausbleibenden Agrarreformen, die Menschen in Abhängigkeit, Ausbeutung und Armut zwingen; sie entfliehen archaischen Gesellschaftsstrukturen, weil sie auf ein besseres Leben hoffen. Die Städte versprechen, diesen Wunsch zu erfüllen. Die Menschen werden jedoch an Orte katapultiert, die aus Steinen, Zement, Teer, Stahl und Glas bestehen; Orte, an denen Umweltverschmutzung, Lärm und Verkehr allgegenwärtig sind. Diese Menschen verbringen Tag für Tag ihr weiteres Leben in einer eckigen und meist dreckigen Umgebung.
Auch wenn Menschen an solchen Orten bestehen und sich an sie gewöhnen können, wird es dennoch eine Verbindung zu den verlassenen und vertrauten Orten geben. Orte, die meist von der Natur geprägt sind. Das kann man daran sehen, wie in Deutschland Menschen mit ausländischem Hintergrund in ihren Schrebergärten eine Ersatzheimat finden: unter der Fahne des Ursprungslandes wird Obst und Gemüse von dort angebaut.
Die zweite Beobachtung über Pflanzen entsprang einer Bewunderung für die unheimliche Kraft, die diese haben. Sie wachsen überall. Sie scheinen unendlich viel Energie zu besitzen. Sie sind in der Lage, an scheinbar unmöglichen Orten zu entstehen und sich weiter zu entwickeln und sobald der Mensch weg geht, erobern sie „ihren“ Raum zurück.
Wer sind diese Pflanzen? Sie umgeben uns, sie sind überall und bleiben gleichzeitig dort, wo man sie hinstellt oder einpflanzt, oder wo sie ihre Wurzeln geschlagen haben. Und was bedeuten sie für uns? Nicht nur im Sinne der für uns lebensnotwendigen Photosynthese oder des wirtschaftlichen Nutzens, wie sie ihn für die Landwirtschaft oder die Pharmaindustrie haben, sondern auch wie sie unsere Seele bereichern, mit den Farben und dem Duft der Blumen, dem Rauschen der Bäume, der Ruhe der Wälder.
Diese Fotos sind eine Art Tagebuch: Bilder über Begegnungen mit Pflanzen und über Menschen mit (ihren) Pflanzen.