Trump Tweets @ Gustavo Alàbiso

Trump Tweets

Die Serie „Trump Tweets“ hat als Gestaltungsursprung die bildmanipulierte Darstellung von einem Portrait eines Doppelgängers des abgewählten amerikanischen Präsidenten Donald Trump nach den Prinzipien der Glitsch Photography. Die Serie stellt die Trump Figur in unterschiedlichen Bearbeitungsmethoden dar. Die Fotos wirken befremdlich, elektrisch und elektrisierend. Sie sollen einerseits den digitalen Tatendrang des amerikanischen Präsidenten aufzeigen, dessen berühmt-berüchtigte Tweets (Befehle, Urteile, Beschimpfungen) bekannt sind. Andererseits weisen sie auf die Auswirkung des Internets hin, welches die Multitplikation von Informationen ermöglicht und die Kraft zu haben scheint, dass ein Bild innerhalb von einem Augenblick die entferntesten Ecken der Welt erreicht.

 

Vorwort:
„Unfallermittler gingen beim Crash in Indonesien davon aus, dass die eigens von Boeing für die neue Flugzeugreihe 737 Max entwickelte Steuerungssoftware MCAS ein wichtiger Auslöser des Unglücks gewesen sein könnte.“ (Zeit-Online 4. April 2019)

„Der tödliche Unfall mit einem autonom fahrenden Auto des Fahrdienstleisters Uber im März wurde offenbar durch einen Software-Fehler verursacht.“ (heise.de 08.05.2018)

„Es zeigt, was passiert, wenn der Mensch nichts mehr zu melden hat und die Maschinen übernehmen. Bei der Aufarbeitung des Börsencrashs von 1987 kam heraus, dass Computer den rasanten Absturz beschleunigt hatten.“. (Handelsblatt 19.10.2012 zum 25. Jährigen des schwarzen Montags)

Diese drei beispielhaften Ereignisse (und die Liste könnte viel länger sein) haben die Welt bewegt und verdeutlichen was passieren kann, wenn Softwares „fehlerhaft“ arbeiten.

Diese Softwares wurden von Informatikern programmiert und entspringen ihren Kenntnisse und Erfahrungen. Somit gibt es immer unvorhersehbare und einmalige Zusammenhänge, auf die eine Software nicht vorbereitet ist und deshalb falsche Schlüsse zieht.
Die digitale Welt ist ein Spiegelbild des Menschen von seiner wunderbaren Komplexität aber auch seiner Verwundbarkeit.

Der grafische Ursprung der Serie:
Als ich 2014 nach einem Unfall meiner Backup Platte keinen Zugang mehr zu meinem gesamten digitalen Bildarchiv hatte, habe ich angefangen, mich auch bildlich mit der Digitalisierung zu beschäftigen. Die erste Software, die ich damals ansetzte, um die Daten zu retten interpretierte die gespeicherten Fotografien falsch und das Ergebnis waren fehlerhaft zusammengesetzte Bildern. Aber diese Zusammenführung hatte Werke geschaffen, die ich mir nie hätte ausdenken können. Was zunächst wie ein Zufall schien, war jedoch keiner: Die Software hatte Bildteile, die in unterschiedlichen Sektoren der Festplatte gespeichert waren, zusammengeführt in der Annahme, sie würden zusammengehören. Der Festplattencrash hatte die Pfade der jeweiligen Bildteile zerstört und diese Software war nicht in der Lage, die Fotografien ohne die entsprechende Pfade wiederherzustellen.

Es war wie eine Offenbarung, denn durch Fehlinterpretationen gab es andere, zum Teil spannendere und geheimnisvollere Fotos als die Originale.
Jetzt wurde ich neugierig und wollte der Frage auf den Grund gehen, wie ich den Prozess provozieren konnte, ohne bei jedem Versuch ein paar gespiegelten Festplatten zu zerstören?

Die „Diskreten Pixel“

„Weil das digitale Bild aus diskreten Pixeln zusammengesetzt ist, die ihnen zugewiesene mathematische Werte besitzen, kann das ganze digitale Bild durch Modifikation der jeweiligen Pixeldefinitionen verändert werden“.

Und weiter:

„Im Reich des Digitalen sind alle Bilder der visuellen Alchemie des Zeichenprogramms unterworfen, das dem Benutzer eine Reihe von Werkzeugen anbietet, mit denen er jede Eigenschaft eines Pixels zu modifizieren vermag.“
(Peter Lunenfeld: „Digitale Fotografie. Das dubitative Bild“. In „Paradigma Fotografie“)

Das Geheimnis war gelüftet! Der Zufall hatte alles im Gang gesetzt, ohne den Festplattencrash hätte ich die Welt der „diskreten Pixel“ nicht kennengelernt, obwohl ich genau diese Eigenschaft bei der Bildoptimierung meiner Fotografien immer benutze!
Dennoch, ein letzter Schritt fehlte mir: Wie kann ich die Fotos nach dem ‚Zufallsprinzip‘ manipulieren, um ähnliche Ergebnisse zu haben wie nach dem Festplattencrash?
Ich entdeckte, dass das, was für mich neu war, längst verbreitet ist und glitch photography (Störungsfotografie) heißt.
Störungen (Fehler) werden den Bilddaten, die – wie wir jetzt wissen – modifizierbar sind, hinzugefügt und man wartet gespannt auf das Ergebnis. Ab dem ersten Bild handelt es sich um mühsame und genaue Arbeit. Denn die Zwischenergebnisse müssen so gesteuert und verfeinert werden, dass die „Endbilder“ eine gewisse Aussage und Ästhetik aufweisen.

Fazit:
Mit dieser langen Vorgeschichte soll dafür sensibilisiert werden, wie das filigrane, digitale Netz, das uns immer mehr umspannt anfällig für Manipulationen und Fehler ist. Es sind zugegeben hochkomplexe Vorgänge, die sich abspielen, und in jeder Sekunde werden gewaltige Mengen an Daten produziert, verwaltet und angewendet. Diese Bildreihe soll uns bewusst machen, dass diese digitale Welt von Menschen erfunden wurde und von denselben Menschen manipuliert werden kann.