Karlsruhe

Der Bildband Karlsruhe, erschienen beim Lindemann’s 2022, ist ein Buch, das unter schwierige Bedingungen entstanden ist. Wir bekamen den Auftrag 2021, und Ende Juni 2022 war Abgabetermin. Der Bildband war auch als Präsent der Stadt Karlsruhe für die Delegierten der Vollversammlung des Weltkirchenrats vom 31. August bis 8. September 2022 vorgesehen. Es war mitten in der Pandemie. Wie kann man ein aktuelles Buch über eine lebendige Stadt, wenn fast alles, was öffentliche Leben ist, eingestellt ist? Wenn Homeoffice die Menschen aus der Stadt fernhalten, wenn keine Feste bzw. Versammlungen gibt und wenn sie gibt, unter strengsten Vorkehrungen, wie beim Weihnachtsmarkt? Und die FFP2-Maske bei vielen Veranstaltungen jedenfalls Pflicht ist? Und stets Abstand halten?

So wurden die Fotos für das Buch fast ausschließlich in den warmen Monaten produziert, als die Hygienemaßnahmen locker oder fast aufgehoben und genug Menschen unterwegs waren. Das Bild der Stadt sollte nicht nur eine leere Wüste von Gebäude und Straßen sein, sondern ein Ort, an dem Menschen leben.

Klar, mein fotografisches Bild der Stadt ist verfälscht. Ich habe sie zu oft fotografiert und ich konnte sie beinahe mit geschlossenen Augen fotografieren. Das ist wahrlich nicht gut. Und trotzdem habe ich mich bemüht, neue Bilder zu schaffen und versucht, das tausendmal fotografierte, noch einmal und wieder anders aufzunehmen. Die Räumlichkeiten mit Leben zu füllen, stets auf der Suche nach meinem Bild von Karlsruhe.

Und welche ist es, mein Bild von Karlsruhe?

Die Stadt, in der ich seit 33 Jahren lebe, beruflich und privat vermischen sich. Die Stadt hat dadurch viel mehr Facetten, ist auch der Ort, an dem meine Kinder geboren und groß geworden sind. Die Schulen, die sie besucht und die Vereine, wo sie ihre Freizeit verbracht haben. Ihre Freundinnen und Freunde und deren Eltern. Aber es gibt auch ein persönlicheres Bild. Als Kind bin ich aufgewachsen umgeben von Bäumen und habe ich immer geträumt, in eine Stadt zu leben. Als heranwachsender auf Sizilien, wollte ich nicht mehr in der Peripherie Europas bleiben, sondern mittendrin leben. Beide Wünsche haben sich in Karlsruhe verwirklicht.

Und noch mehr. Als Karlsruhe 1715 gegründet wurde, waren die Menschen eingeladen, sich um das Schloss niederzulassen. Mit dem „Privilegienbrief“ wurde ihnen was angeboten, an der erste Stelle die „Religionsfreiheit“. Als Angehöriger einer religiösen Minderheit habe ich immer die Freiheit und Toleranz der Karlsruherinnen und Karlsruher geschätzt. Für sie bin ich „nur“ einen Italiener, aber, ich habe immer die Antennen der Gleichberechtigung, der Freiheit, des Respekts und der Gerechtigkeit aktiv. Und ich bin in einem Ort groß geworden, dass in den 90er-Jahren der Hauptort der italienischen Emigration wurde. In eine Stadt zu leben, in der die Menschen sich niederlassen, weil sie hier beruflichen und familiären Perspektiven haben, spendet eine unglaubliche Energie, dass mit allen Problemen, die Karlsruhe haben mag, Hoffnung für die Zukunft spendet. Eine multikulturell und politisch lebendige Stadtgemeinde, mit einer engagierten Bürgerschaft, die Kraft liegt in den Menschen und nicht in den Steinen.

All das wollte ich in meine Fotos zeigen!

Gustavo Alàbiso & Jens Galster: Karlsruhe Bildband

ISBN: 978-3-96308-170-5, Hardcover, 240 x 280 mm, 208 Seiten, 535 Fotos, Lindemanns Bibliothek Band 401, deutsch · englisch · französisch