Immagina Riesi

Dies ist eine besondere Reportage für mich. Meine Schulfreunde, meine Schulfreundinnen und ich haben von 1968 bis 1973 gemeinsam die Grundschule des evangelischen Zentrums „Servizio Cristiano“ in Riesi, Sizilien, besucht. Das Schulgebäude, visionärer Architektur der 60er Jahre, war mitten in einen Olivenhain gebaut. Dort hatten wir, neben den herkömmlichen Fächern, auch Musik- und Englischunterricht. Wir kümmerten uns um eine selbstgedruckte Schülerzeitung und um die Hamster. Eine Bibliothek stand uns zur Verfügung und alle mussten regelmäßig Bücher lesen. In dieser Ganztagschule vermischten sich modernste Erziehungsmethoden mit den Werten, die dieses protestantische Zentrum verkörpern wollte: Gleichheit, Respekt und Toleranz. Aus diesem Grund gab es eines nicht: Religionsunterricht.

Meine ehemaligen Mitschüler und Mitschülerinnen leben heute in Sizilien, Norditalien, Deutschland und Belgien. Sie sind, wie wir alle, das Produkt einer gewissen Mentalität, Erziehung und Kultur, aber gleichzeitig sind sie auch Individuen mit eigenem Willen und Schicksal. Anhand meiner Fotos und der Interviews von zwei italienischen Journalisten, Daniele Arghittu und Salvatore Falzone, beschreiben außerdem Zeitzeugen und Zeitzeuginnen das Riesi der 60er und 70er Jahre.

Die Fotografie

Alle Fotos dieses Projektes wurden auf Rollfilmen belichtet. Ich habe mit einer Hasselblad 500C von 1970 gearbeitet, was kein Zufall ist: Diese Kamera hätte uns damals als Kinder fotografieren können. Das Verwenden der damaligen Aufnahmetechnik hat mir geholfen, Zeit und Erinnerung in Einklang zu bringen. Ein Gefühl das ich bei den ersten Probebildern mit moderneren Kameras nicht hatte. Die heutige digitale Technik ist beinahe perfekt, Objektive mit höchster Bildauflösung und abgestimmter Software erlauben es uns, jedes kleinste Detail sichtbar zu machen, aber gerade das wollte ich nicht, das war nicht mein Ziel – die Fotos sollten, wie unser Gedächtnis, Raum für Imagination lassen. Das wird auch dadurch möglich, dass die Fotos etwas verschwommen und nicht so scharf sind und die Textur des Films durch die Farbkristalle etwas gröber sind.   

Ich habe mit zum Teil abgelaufenen Dia- und Farbnegativfilmen gearbeitet. Allerdings wurden alle Filme (auch die Dia-Filme) im gleichen chemischen Prozess mit dem Namen C41 entwickelt. Die Verwendung von seit Jahrzehnten abgelaufenen Filmen hat Bilder mit hohem Kontrast und Farbverschiebungen zum Ergebnis – bei der Entwicklung fand so eine gewünschte, aber zufällige Veränderung der Bilder statt.

Diese Arbeit wurde vom Kulturamt der Region Siziliens (Regione Siciliana, Assessorato dei Beni Culturali e dell’Identità Siciliana) finanziert.

Weitere Informationen: www.immaginariesi.it