Ihr fehlt mir!!! 2020-2021

Fotoausstellung

Regierungspräsidium am Rondellplatz

Karl-Friedrich-Str. 17, Karlsruhe

23. Februar – 13. März, täglich vom 11. – 18. Uhr

Wie kann man einen Ort fotografieren, an dem nichts passiert? Leere Straßen als Ausdruck einer Einschränkung des öffentlichen Lebens, wie es sie noch nie gegeben hat? Menschen mit FFP2-Masken, in sicherem Abstand voneinander, als Symbole einer radikalen Reduzierung der menschlichen Kontakte, deren Folgen noch nicht abzusehen sind? Wie kann man ein bleibendes, aber auch ein schreiendes Dokument schaffen über die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie, wenn sich diese auf Impfen, Hände waschen, Maske tragen und Abstand halten beschränken? Es geht nur, wenn dem*der Betrachtenden bewusst ist, dass diese Fotografien während der Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie entstanden sind. Diese Fotografien reflektieren diese Zeit, auch wenn sie die Pandemie nicht direkt ansprechen, auch wenn sie nicht „sichtbar“ ist.

Von März bis Juni 2020 habe ich die Auswirkungen des ersten Lockdowns zur Eindämmung der Pandemie in Karlsruhe fotografiert und im Dezember 2020 ist eine Broschüre mit 54 Fotos und dem Titel „Ihr fehlt mir!!!“ entstanden. Diesen Satz hatte die Wirtin des „Kiosk am Ludwigsplatz“ an ihre Wandtafel geschrieben – genauso, mit drei Ausrufezeichen.

Von November 2020 bis Juni 2021 habe ich beim zweiten „harten“ Lockdown fotografiert. Während mich beim ersten Lockdown der öffentliche Raum faszinierte und als Fotograf provozierte, hatte ich beim zweiten Lockdown das Bedürfnis, Geschichten aus dem Leben der Menschen, die nicht mehr auf den Straßen, in den Schulen und den Büros unterwegs waren, zu erzählen und ihnen dort wo sie lebten und arbeiteten zu begegnen.

Die Dokumentation fängt Ende November 2020 an, damals wurden nach und nach alle öffentlichen Veranstaltungen abgesagt, die Atmosphäre in der Stadt war bedrückend, grau und nass, unwirklich schwer. Auf Facebook machte ich einen Aufruf, ob es Personen gibt, die dieses Jahr Weihnachten anders feiern als sonst und ob sie bereit sind, sich fotografieren zu lassen. Es meldeten sich einige wenige befreundete Personen, aber auch Monika Seelmann. Ihr Portrait ist das Symbol meiner Dokumentation geworden, sie personifiziert den Titel. Ich habe sie hinter der Fensterscheibe ihrer Wohnung fotografiert, ihre Sehnsucht ist greifbar, es war der 24. Dezember 2020.

Ab Januar 2021 geht es mit der Dokumentation weiter mit der Frage: Wie sieht der Corona-Virus aus?

Auf den Mikroskop-Bildern hat er eine Art Krone (Corona) um sich herum, aber wie wird er sichtbar, wenn man z.B. einen PCR-Test auswertet? Lässt er sich in Zahlen ausdrücken? Buchstaben? Bildern?

Mit dieser Frage, die sich vielleicht nur ein Fotograf stellt, habe ich das MVZ Labor Dr. Volkmann besucht und erfahren, dass nach einem komplexen chemischen Verfahren, die vorhandene Virus-DNA mit einer Kurve dargestellt wird. Einer Kurve, die auch die Intensität der Infektion visualisieren kann.

Wie sieht der Raum aus, in welchem der Bundesgerichtshof die Urteile verkündet? Wie findet digitaler Unterricht statt? Ein Rockkonzert im Livestream? Wie wird im Zentralen Impfzentrum (ZIZ) gearbeitet? Welche sind die Aufgaben der Bundeswehr? Welche Menschen arbeiten bei den Impfteams? Wie sieht es auf der Intensivstation C 010 im Städtischen Klinikum aus? Wie werden FFP2-Masken produziert? Diese sind einige Themen und Fragen, die mich bewegt haben und welche die Möglichkeit eröffneten, sie fotografisch festzuhalten.

Es sind mehr als eineinhalb Jahre vergangen, seit ich mit der Dokumentation angefangen habe. Genauso wie die Politik, und viele andere Menschen habe auch ich den Epidemiolog*innen, ähnlich wie der mythologischen Figur der Kassandra, nicht geglaubt und gehofft, die Epidemie sei bald vorbei.

Aber auch wenn auf einmal alles vorbei wäre, wären die Wunden unsichtbaren Tsunamis tief. Die Epidemie hat nicht nur die mangelnde Digitalisierung auf die Tagesordnung gebracht, sie hat die sozialen Unterschiede deutlich gezeigt. Hat manche Existenzen vernichtet und Menschen in die Isolation verbannt.